Schubkarren und Bratensauce (1995)

Wir spielten in der Folgezeit auf einer Vielzahl von Veranstaltungen und waren uns für nichts zu schade.
Da gab es Jubiläen von Tennisclubs und Volleyballvereinen, Hochzeiten in Kleingartenanlagen und dergleichen mehr. Es war zwar nicht immer so, dass uns das Publikum auf Händen getragen hätte (ich denke da insbesondere an das 100-jährige Jubiläum eines Tennisclubs, das sich durch besonders versnobtes Yuppie-Publikum auszeichnete), aber insgesamt wurde die Musik sehr gut angenommen. 

Das machte sich besonders dadurch bemerkbar, dass wir uns nie um Folgeauftritte kümmern mussten, sondern einfach durch Mund-zu-Mund-Propaganda von einem Gig zum nächsten vermittelt wurden. In dieser Zeit lernte ich auch, übermäßiges Lampenfieber abzulegen und die Auftritte frei nach dem Motto "Augen zu und durch" eher locker-flockig anzugehen (für einen Sänger ist das mindestens genauso wichtig wie der Gesang selbst).

Das wichtigste war jedoch, dass wir zu dieser Zeit einfach Spaß ohne Ende hatten und sich eine wirkliche Freundschaft zu entwickeln begann. Wir haben wahrlich so manche gemeinsame (Lach-) Träne vergossen, insbesondere wenn solche Veranstaltungen durch - am linken Niederrhein zwar gebräuchliche, jedoch dadurch nicht weniger blödsinnige - Spielchen begleitet wurden.

Dabei dürfte uns die "Schubkarrenhochzeit" als diesbezügliches Highlight in ewiger Erinnerung bleiben. Hier wurden Braut und Bräutigam - nach sich den Zuschauern nicht erschließenden Regeln - auf bizarre Art und Weise mit Schubkarren kreuz und quer durch den Garten transportiert - sollte wohl irgendwie lustig sein, hat aber kein Schwein verstanden und so ließ man das Publikum ob der ausbleibenden Pointe in einem Vakuum der völligen Ahnungslosigkeit zurück.

Ein schöner Begleiteffekt bei solchen Gelegenheiten waren die meist feudalen, kulinarischen Genüsse, die ich dann in zahlreichen rhetorischen Abwandlungen mit dem Klassiker "Das Buffet ist eröffnet" ankündigen durfte.
Da häufig jede Menge Köstlichkeiten übrig blieben, wurden wir großzügig mit den Resten bedacht. Leider wurde mir bei einer Gelegenheit ein solches Mitbringsel in einer etwas undichten Plastiktüte überreicht - und somit zum Verhängnis. Wäre ich ein Dieb gewesen, hätte mich die Polizei anhand der sich vom Gesangsmikro bis zu meiner Haustür ziehenden Bratensaucen-Spur mühelos dingfest machen können. Ich glaube, auch der Taxifahrer ist mir bis heute in tiefster Dankbarkeit verbunden.

Belindas in der Blüte (1996-1997)

Neben den Cover-Geschichten versuchten wir auch, den ein oder anderen eigenen Song im Programm unterzubringen. So gingen wir Mitte der 90er ins Studio, um insgesamt vier eigene Titel aufzunehmen.


Im Nachhinein betrachtet ist das Ergebnis zwar ganz o.k., klingt aber besonders wegen der mäßigen Aufnahmequalität der Gitarrenspuren für heutige Verhältnisse eher "suboptimal".
Das lag insbesondere daran, dass der gestresste Studiobesitzer uns die Abmischung mangels Zeit zu einem guten Kurs selbst überließ. Dass zu diesem Zeitpunkt keiner von uns auch nur den Hauch einer Ahnung vom Mixing hatte, hört man leider am Ergebnis.

Nichtsdestotrotz ist das Demo-Tape eine schöne Erinnerung und allein wegen Michels "Immer sein" jede Sekunde Mühe wert gewesen. Das war wohl unser persönlichstes und autobiografischstes Stück und ich ziehe heute noch meinen Hut, Michel.

1996 erhielten wir das Angebot, in Arsbeck auf einem Rock-Festival zu spielen. Wir erfuhren im Vorfeld, dass dieses Festival in der Region einen recht hohen Stellenwert genießt und sich regelmäßig guten Publikumszuspruchs erfreut. Hochmotiviert übten wir die Stücke immer und immer wieder. In einem Vorgespräch teilte uns der Veranstalter mit, dass wir von insgesamt drei Bands den Anfang machen sollten, da die Jimmy-Hendrix-Cover-Band "Distortion" wesentlich bekannter war und die Lokal-Heroes aus dem Ort am Ende spielen durften.

Es wurde ein Super-Gig vor einem zum Bersten gefüllten Festzelt und wir wurden unmittelbar nach dem Konzert für das nächste Jahr als Top-Act engagiert. Wir waren angesichts der überschwänglichen Resonanz selbst überrascht, freuten uns aber logischerweise wie die Gummibärchen.

Rückblickend war es vermutlich der beste Auftritt in dieser Besetzung. Wir waren hervorragend eingespielt und aufeinander abgestimmt. Wir trauten uns auch was zu und versuchten Cover-Songs völlig neu zu arrangieren. So verzichteten wir beispielsweise bei der Soft-Cell-Nummer "Tainted love" völlig auf Keyboardsounds oder verwandelten das ruhige "Running to stand still" von U2 in eine dröhnende Rock-Orgie. Alles in allem kann man wohl sagen, dass wir in der Blüte unseres Schaffens waren.

Schumis Schummelschuppen (1998)

Als Resultat des Erfolges wurden wir dann auch recht schnell für weitere Auftritte in der Region Heinsberg gebucht.

So kam es dazu, dass wir in einer zur Dorfdisco umgebauten Scheune spielten, in deren Mitte eine große Glitzer-Discokugel ungefragt - und das Auge des Betrachters zutiefst beleidigend - von der Decke prangerte.
Das etwas lächerlich wirkende Ambiente wurde besonders dadurch verstärkt, dass der Besitzer sein Reich in einen Michael-Schuhmacher-Tempel verwandelt hatte. Überall hingen Plakate und andere Accessoires des Kerpeners und alles war in einem schummrigen Ferrari-rot erleuchtet.

Marc nahm dies sofort zum Anlass, den Humor des Veranstalters anzutesten, indem er uns als die " 4 Villeneuves" ankündigte (in Anspielung auf den damaligen Schumi-Hauptrivalen). Das fand dieser aber nicht so komisch, beschimpfte Marc als "Klobürste" und ging ihm fast an die Gurgel.

Nachdem wir die nun drohende Schlägerei gerade noch abwenden konnten und der humorlose Schumi-Fan sich wieder beruhigt hatte (in seinem Hirn war offensichtlich nur Platz für eine Bild am Sonntag, die aktuelle Fahrerwertung und 20 Pils), absolvierten wir unseren Auftritt und drehten diesem ungastlichen Ort am Tellerrand des Universums den Rücken zu. Er wird uns ewig als "Schumis Schummelschuppen" in Erinnerung bleiben.

Ein Jahr später näherte sich dann das große Rock-Festival, bei welchem wir nach unserem guten Vorjahresauftritt nunmehr als "Top-Act" nominiert waren. Dies implizierte nach Meinung des Veranstalters auch, dass wir von den drei Bands den Schlusspunkt markieren sollten.

Als wir hörten, dass vor uns eine regionale 80er-Coverband mit "Heimspielvorteil" sowie eine Art Blues-Brothers-Revivalband spielen sollten, begannen wir ernsthaft an dieser Reihenfolge zu zweifeln. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass unsere eher progressive Grunge-Pop-Punk-Mischung noch "zünden" würde, wenn das Publikum bereits stundenlang zuvor auf die 80er eingeschworen worden war. Daher baten wir den Veranstalter, uns wie im Vorjahr wieder den Anfang machen zu lassen.

Da er sich trotz intensivster Bemühungen aber nicht darauf einließ, spielten wir am Ende und gingen leider, aber auch erwartungsgemäß ein bisschen baden. Die Musik passte halt nicht mehr zu der bierseligen, den "guten alten Zeiten" nachtrauernden 80er-Stimmung. Es wurde höflich applaudiert - und das wars.