Das Casting - Teil 2 (2002-2003)

Schorsch und Rollo
Schorsch und Rollo

So mussten wir die schmerzliche Erfahrung machen, dass es bei der Suche nach geeigneten Mitmusikern nicht nur darauf ankommt, Leute mit ausreichendem Können und Potential zu finden, sondern diese Kriterien auch selbst für andere zu erfüllen.
Hinzu kommt, dass neben dem richtigen Level im Bezug auf das Können auch Persönlichkeit und Charakter passen müssen. Ich bemerkte also zunehmend, dass wir uns ganz schön was vorgenommen hatten und sich dieses Vorhaben schwieriger gestaltete als erwartet.

Etwa in dieser Phase sprach Joe zufällig mit einem Arbeitskollegen und erfuhr im Rahmen dieses Gespräches, dass er vor Jahren Schlagzeug in einer Düsseldorfer Band gespielt hatte. Nachdem Joe ihm unser Anliegen vorgetragen hatte, erschien Georg (Schorsch) Werner mit seinem Schlagzeug zur nächsten Probe und überraschte uns mit einer absolut amtlichen Performance. Da Schorsch ebenfalls Gefallen an der Geschichte gefunden hatte, machten wir Nägel mit Köpfen und schickten unseren Drum-Computer in den wohlverdienten Ruhestand.

Beim nächsten Zuwachs sollte sich dann endlich unser Inserat im Internet auszahlen. Mit Rolf-Günter Arnz, der später von uns nur liebevoll "Rollo" genannt wurde, kam ein versierter und erfahrener Gitarrist aus Düsseldorf an Bord. Er erwies sich als grundsympathischer Kerl, der sich ohne Probleme in die Besetzung einfügte. Das bezog sich zu seinem Leidwesen auch auf weniger gesunde Angewohnheiten, denn er stieß als einziger Nichtraucher zu uns.
Das hatte zur Folge, dass er sich das Laster wieder angewöhnte, während alle anderen nacheinander aufhörten und er somit am Ende als einziger Raucher übrig blieb. 

Die letzte vakante Position sollte sich als die schwierigste herausstellen. Gute Bassisten sind ungewöhnlich rar gesät und so sahen wir einige dieser Vertreter kommen und gehen. Da gab es zunächst einen 18-jährigen Jüngling, der an maßloser Selbstüberschätzung litt und nach nur zwei Treffen ein Engagement in einer Schülerband bevorzugte, weil deren Sängerin gerade in der aktuellen DSDS-Staffel unter den TopTen gelandet war. Ob's an der Attraktivität der Sängerin lag oder an was auch immer - es war jedenfalls gut, dass er schnell wieder weg war. Unglücklicherweise haben die zwei Proben aber ausgereicht, sich unser Programm gut einzuprägen, denn Conny musste kurze Zeit später bei einem Auftritt seiner neuen Kombo feststellen, dass deren Programm mehr oder weniger mit dem unseren übereinstimmte. (schade, dass es bei Cover-Stücken kein Copyright auf die Programmauswahl gibt:)

Als nächster Kandidat erschien ein knapp 50-Jähriger, der nach eigenen Angaben auf eine jahrzehntelange Erfahrung in einer örtlich bekannten Bluesband zurückblickte. Ich weiß zwar nicht, was der da so lange gemacht hat (Saiten aufgezogen, Mikros geputzt oder Bier geholt?) - jedenfalls kann er nicht Bass gespielt haben. Der Mann traf nicht einen einzigen richtigen Ton, spielte aber gnadenlos und trotz unserer schmerzverzerrten Gesichter mit der größten Selbstverständlichkeit weiter. Während wir anderen uns - halb genervt und halb belustigt - zu einer Pause in den Waschkeller zurückzogen, versuchte Joe ihm mit Engelsgeduld die nötigen Töne beizubringen. Als ich zeitgleich die Meinung äußerte, das Ganze sei bloße Zeitver-schwendung, ging Schorsch kurzerhand in den Proberaum und erklärte dem völlig verdutzten Bassisten (und dem nicht minder verdutzen Joe), dass er ihm alles Gute für die Zukunft wünsche, aber die Probe hiermit für ihn beendet sei. Der - ein bisschen um Fassung ringende - Joe brachte den sichtlich geknickten Kerl dann noch zur Tür, fiel aber bereits bei seiner Rückkehr in den Proberaum dankend und mit den Worten "mein Retter" vor Schorsch auf die Knie. Schorschs straighte Art mag zwar nicht jedermanns Geschmack treffen, aber in dieser Situation war das völlig gerechtfertigt und ich würde mir manchmal auch einen solchen Mumm wünschen, also nochmal ausdrücklich: "Chapeau!"

Der nächste Kandidat sollte dann endlich unser Volltreffer werden. Auch Markus Scholz - ein 26-jähriger "Ossi" aus Bitterfeld mit Wohnsitz Düsseldorf - hatte sich via Internet gemeldet und fand sich nun erstmals mit dem Rest der Bande im Proberaum zu Dürselen ein.
Markus ist Bassist mit Leib und Seele und gehört zu der Gattung "lustig, faul - aber genial" (ich hoffe, du nimmst mir das nicht übel - es ist absolut positiv gemeint!).

Es gibt halt Musiker, die so begabt sind, dass sie keiner großen Vorbereitung bedürfen, sondern nach kurzer Einfindungsphase einfach wie selbstverständlich mitspielen - und aus diesem Holz ist Markus geschnitzt. Er beendete den ersten Abend - und es sollten noch viele folgen - mit den Worten "Ehrlich, das haut mich nicht vom Hocker, aber wir können es versuchen". Ich war happy, geradezu euphorisch, denn nach endlos erscheinender Suche war die Band endlich komplett.

Sächsische Himmelstränen und immer wieder Füchschen (2003)

On stage
On stage

Jetzt konnten wir endlich loslegen. Es war nicht immer einfach, da die Geschmäcker doch ein wenig auseinandergingen, aber wir waren zu Beginn extrem kompromissbereit und fanden eine ausreichende Schnittmenge, um ein auftrittsreifes Programm auf die Beine zu stellen.
Darunter befanden sich einige Songs, die wir alle nahezu gleichermaßen liebten und daher auch richtig geil spielten. Als eines der diesbezüglichen Highlights wird mir wohl "This Generation" von Roachford in ewiger Erinnerung bleiben. Ich kann mich nicht an viele Stücke in meinem Musikerdasein zurückerinnern, die ich auf so hohem Niveau mit begleiten durfte und es ist eine Schande, dass davon keine Aufnahme existiert.

 


Aber es gab auch jede Menge andere Stücke, die wir sehr gut an den Mann bzw. die Frau bringen konnten (u.a. Cosmic Girl / Jamiroquai, Hot Fudge / R. Williams, Africa / Toto, Mystify / INXS, I belong to you, Dig in / Lenny Kravitz, Sleepin' Satelite / Tasmin Archer u.v.m). Conny und ich wechselten uns hierbei mit Lead- und Backing-Vocals ab, wobei auch Joe und Markus stellenweise mitsangen.

Schorsch und Markus kristallisierten sich während der wöchentlichen Proben mehr und mehr als humoristisches Traumduo des gegenseitigen "In-die-Pfanne-Hauens" heraus. Dabei ging es häufig um irgendwelche Wetten, deren Einsatz grundsätzlich aus einer Kiste "Füchschen-Alt" bestand (wenn die Wetten tatsächlich immer eingelöst worden wären, hätten wir jetzt wohl alle ein echtes Problem :-).
Aber auch alle anderen bekamen regelmäßig und in verträglichen Dosen ihr Fett in Form von kleinen Spitzen weg und es entwickelte sich eine gewisse Spaßkultur, die ich einerseits selbst genoss, andererseits aber stellenweise auch als störend im Hinblick auf unsere Produktivität empfand. Ich war zu diesem Zeitpunkt extrem ehrgeizig und wollte mit dieser Band wirklich etwas Dauerhaftes mit hohem Qualitätsstandard erreichen. Das war ja letztlich der Hauptgrund für meinen Ausstieg bei den BELINDAS gewesen, denen ich zu diesem Zeitpunkt dieses hehre Ziel nicht mehr zutraute. Und dieser Schritt, der mir ungemein schwer gefallen war, sollte sich jetzt halt auch irgendwie auszahlen.


Auf der anderen Seite musste ich bei all meinen ehrgeizigen Plänen natürlich auch der Tatsache Rechnung tragen, dass der Spaßfaktor immer eine enorm wichtige Rolle spielt und daher keinesfalls zu kurz kommen durfte - insbesondere, da wir uns ja gerade erst alle kennengelernt hatten und sich über den Spaß erstmal eine Art Gruppengefüge bilden musste.
Also beschloss ich, meinen Ehrgeiz zugunsten dieser Entwicklung erst einmal zurückzustellen und den Dingen ihren Lauf zu lassen. Es kam dann auch stellenweise zu echt komischen Szenen, über die wir uns alle gleichermaßen amüsierten und die uns irgendwie zusammen-wachsen ließen.


Ein solcher "Running-Gag" war z. B. eine von Markus gesungene Interpretation von "Tears in heaven". Dabei bewies Markus, dass man auch einen englischsprachigen Titel "versächseln" kann - er war aufgrund seiner Herkunft natürlich für diese Rolle prädestiniert und absolut authentisch. So nahm das ganze seinen Lauf und irgendwann war es dann plötzlich soweit -
der erste Auftritt stand an und ich war gespannt wie ein Flitzebogen.